Archiv für Februar, 2014

Wenn Idioten träumen…

Veröffentlicht: Februar 25, 2014 von weizzenbrot in Filmkritik
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und aus irgendwelchen Gründen daraus einen Film machen, dann wird Vin Diesel darin garantiert die Hauptrolle spielen. Er hat sich darauf spezialisiert. Der Zuschauer taucht ein in eine wunderbar reduzierte Welt, in der es genau drei Formen der Interaktion gibt: Angreifen, Anpöbeln und Penetrieren. Man darf dabei die utopische Dimension dieses Gedankenspiels nicht vergessen: Was wäre, wenn die Welt wirklich so einfach wäre? Weltanschauungen und Religionen sind Systeme der Komplexitätsreduktion, Vin Diesel auch!

In Zeiten, in denen eine schlaffe Avantgarde nur noch das Scheitern in einer unübersichtlich gewordenen Welt darstellen kann, schafft Diesel den Gegenpol. Sein Evangelium der Armen fragt wieder nach dem, was der Zuschauer braucht. Mit etwas Pathos könnte man sagen: Er ist der Luther des Films, der seine 955 Thesen eigenhändig und mit einem Schweißbrenner in den Kinoleinwänden verewigt. Salve!

Lebe wohl

Veröffentlicht: Februar 24, 2014 von weizzenbrot in Eigene Texte
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Ja, geh du schon mal vor“ hatte ich gedankenverloren geantwortet. Ehe ich meinen Blick wieder auf den Weg richten konnte, war sie verschwunden. Weit ist sie nicht gekommen, also ging ich ihr nach. Der Weg wurde schmaler, bald war es ein kaum noch zu sehender Pfad, der sich in einer ausgedehnten Ebene verlor. Einzig ein Stein hier und da ließ mich hoffen, dass es noch nicht zu Ende war. Es mussten Wegmarkierungen sein, also ging ich weiter.

Bald wurde es sandig, die Sonne brannte, vor mir lag nur noch Wüste. Was kann es dort geben außer den langsamen Tod? Vielleicht wusste sie es nicht besser und ist blind den Steinen gefolgt. Oder sie war eine Getriebene, die suchte, was es nur hier gab. Vielleicht irrte sie ziellos und in weiten Kreisen durch den Sand, sonnenverbrannt und halb wahnsinnig. Vielleicht kannte sie auch Schleichwege und verborgene Quellen. Dann würde sie im kühlen Schatten rasten, erschöpft aber ihres Weges gewiss.

Wie es auch sein mochte, ich kehrte um.

Gut, Pornographisches und Spielfilm gehen zusammen. Dabei stellt Lars von Trier nicht den neuen Porno für Intellektuelle vor – im Gegenteil – von einem Porno ist er weiter entfernt als jede konventionelle Hollywood-Komödie. Viel eher müsste man von einem Anti-Porno mit pornographischen Mitteln sprechen. Die Erwartungshaltung des Voyeurs wird aufgegriffen, die erzählerischen Wege des Films sind aber lang und unbarmherzig, der Voyeur wird kaum auf seine Kosten kommen. Was bleibt? Der nachhaltige Eindruck, dass Spielfilm und Pornographisches sich nicht (mehr) ausschließen, dass der Film also ein neues Ausdrucksmittel gefunden hat.

Seligman ist eine eigenartige Figur. Auf der einen Seite gibt er den weltabgewandten Freidenker, immer bereit, über die bescheidenen Ausdrucksmöglichkeiten der Protagonistin hinwegzuhelfen. Wie schön, dass uns jemand über Bach und die Kunst des Angelns aufklärt. Nicht nur Joe lernt da was, auch das Wissens des Zuschauers wird angereichert bzw. aufgefrischt. Sehr lehrreich – ob das vielleicht sogar für die Schule taugt?

Auf der anderen Seite ist da der geduldige und einfühlsame Seligman. Fast könnte man ihn in der Rolle des Therapeuten sehen. Er wertet nicht, sondern möchte verstehen. Aber wenn man ihn schon in dieser Rolle sieht, dann stellt sich dringend eine Frage: Warum glaubt er der Erzählerin? Warum gibt er ihr so viel Raum? Warum unterfüttert er ihre Geschichte mit lehrreichen Analogien anstatt sie zu hinterfragen? Schließlich weiß der Therapeut, dass die Erzählerin mit ihrer Geschichte genau soviel verdeckt, wie sie offen legt. Gerade um zu verstehen, muss er das Erzählte ernst nehmen, aber glauben darf er nicht.

Und an genau dieser Stelle wird es nervig. Den Zuschauer und Seligman verbindet ein Erkenntnisinteresse. Stellvertretend für den Zuschauer stellt er Fragen, unterbricht oder merkt dies oder jenes an. Nur kommt er einem dabei vor, wie eine Energiesparlampe der älteren Generation: Wenn man sie einschaltet, scheint der Raum noch dunkler zu werden. Seine Exkurse über das Angeln oder die Musik machen nichts klarer. Der Zuschauer wünscht sich Fragen, die in die Tiefe gehen und die Selbstverständlichkeiten der Erzählung aufbrechen; er bekommt gelehrsame Analogien, die das ohnehin schon Oberflächliche nur noch noch rätselhafter erscheinen lassen. Stellenweise tauchen Fragen oder Einschübe auf, die in die gewünschte Richtung gehen. Doch Joe wehrt diese erfolgreich ab, sie bleibt der Souverän ihrer Geschichte.

Das erklärte Ziel der Erzählung ist es, die Person der Erzählerin und ihre Erlebnisse verständlich zu machen. Zu keinem Zeitpunkt scheint man diesem Ziel näher zu kommen. Eigentlich wird permanent die Absurdität dieser Zielsetzung demonstriert. Grund hierfür ist eine Prämisse, die von beiden Gesprächsteilnehmern nicht infrage gestellt wird: Die Souveränität der Erzählerin über den Stoff ihrer Erzählung (also über sich und das eigene Leben). Vergegenwärtigt man sich die Situation Joes in der ersten Szene – sie liegt blutend in einer Gasse – so zeigen allein schon diese Umstände, wie es um die Souveränität bestellt ist.

Kurz gesagt: Joe will sich erklären, weil sie davon ausgeht, sich und ihre Geschichte zu verstehen. Das Gegenteil einzugestehen hätte am Anfang der Erzählung stehen müssen.