Archiv für die Kategorie ‘Eigene Texte’

Winterwind

Veröffentlicht: Dezember 22, 2014 von kynischetonne in Eigene Texte, Literatur
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Zodiakallicht. http://de.wikipedia.org/wiki/Nacht#mediaviewer/File:Zodiakallicht.jpg. Gemeinfrei

Winterwind
Bewegte Luft
Bewegter
Berührter
Berührender

Kalt streichelst du die Wange
und lockst hinaus in die Dunkelheit

Werdende Spur

Veröffentlicht: Mai 7, 2014 von kynischetonne in Eigene Texte, Literatur
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Gesprochene Zeit,
gesprochene Zeit,
verweile noch einen berührenden Hauch lang,
ehe du verschwindest
und zu einer Spur wirst.

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Noch bevor im Anfang das Wort war, war es die Atemnot.
Sie war es, die zuallererst das Wort als Schrei nach Erlösung von ihr selbst hervorbrachte (denn wird man sich nicht nach dem ersten aller Atemzüge des Angesichts der ewigen Atemlosigkeit gewahr, der so zum Urgrund allen Schreiens werden muss?)

Dieser Schrei nun gebar die Titanen, die durch ihr wildes und panisches Um-sich-schlagen den Raum erschufen.
Der Raum war der erste aller Frevel, weil seine Weite die atemberaubende Maßlosigkeit war
und an den Anfang des Wortes erinnerte (wegen dieser Schuld banden die Götter die Titanen und nahmen ihnen den Atem).
Durch diese Erinnerung kam aber das Leiden, das als Hintergrundrauschen des Raumes allgegenwärtig war.
Niemand konnte ihm entfliehen und deshalb musste er gebändigt werden.
Die Menschen versuchten es, indem sie den Titanen die Schuld gaben (war es denn nicht Prometheus gewesen, der die Menschen mit dem Feuer an die erste Atemnot erinnerte?).

Mit der Schuldzuweisung kam die Relation in den Raum.
Sie ermöglichte es nun, die Maßlosigkeit ihrer Weite mit dem Maß zu binden.
Doch die Menschen bemerkten erst viel zu spät, dass die Relation sie selbst im Raum in den Mittelpunkt setzte.
Die zuschauenden Götter verwandelten sich. Sie wurden zu den Menschen, die sich vereinten zu dem einen Gott (die Pluralität wurde durch den Blick – den die Relation schuf – , Einheit).
Anstatt den zuschauenden Göttern zu antworten, mussten sie sich nun selbst antworten.
Auch die Schuldzuweisung fiel auf sie zurück, denn sie vernahmen nun den ersten Schrei nach Erlösung von der Atemnot bei sich selbst.  Sie waren dieser Schrei geworden, denn dieser Schrei war das Wort und das Wort war Gott (was die Menschen nicht wussten, aber bald verspürten, war, dass sie die Atemnot dadurch herbei riefen).

Mit diesem neuen und einzigen Gott schwand langsam die Fähigkeit des Atmens unter den Menschen, so dass sich einige von ihnen auf den Weg machten, Prometheus zu suchen und ihn um Hilfe zu bitten.
Einer fand ihn schließlich in der Einöde, gefesselt und an seiner Seite blutend. Er litt unerträgliches Leid – das ihm der Raum in Form eines Adlers – immer wieder von neuem – zufügte. Der Mensch hatte Mitleid und befreite den Lehrer aller Menschen.
Und weil Prometheus dem Menschen sehr dankbar war, verriet er ihm das Geheimnis des Atmens, um ihn von dem giftigen Einfluss des Schreis – das ja auf die unendliche Weite der Atemlosigkeit verwies – zu heilen.

Er sprach: „Es gibt kein Schrei jenseits des Atmens. Das Atmen ist das Werden des Schreis, aber auch sein Vergehen. Das Atmen ist auch Werden des Raumes und auch das Werden des Werdens. Es bleibt nicht stehen, es hört nicht auf.
In seinem Werden wird es aber niemals das Gleiche sein.
Es ist immer neu. Es ist frische Luft, die die Weite berührt und an diesem Ort euer eigenes nie aufhörendes Werden ist.“

Lebe wohl

Veröffentlicht: Februar 24, 2014 von weizzenbrot in Eigene Texte
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Ja, geh du schon mal vor“ hatte ich gedankenverloren geantwortet. Ehe ich meinen Blick wieder auf den Weg richten konnte, war sie verschwunden. Weit ist sie nicht gekommen, also ging ich ihr nach. Der Weg wurde schmaler, bald war es ein kaum noch zu sehender Pfad, der sich in einer ausgedehnten Ebene verlor. Einzig ein Stein hier und da ließ mich hoffen, dass es noch nicht zu Ende war. Es mussten Wegmarkierungen sein, also ging ich weiter.

Bald wurde es sandig, die Sonne brannte, vor mir lag nur noch Wüste. Was kann es dort geben außer den langsamen Tod? Vielleicht wusste sie es nicht besser und ist blind den Steinen gefolgt. Oder sie war eine Getriebene, die suchte, was es nur hier gab. Vielleicht irrte sie ziellos und in weiten Kreisen durch den Sand, sonnenverbrannt und halb wahnsinnig. Vielleicht kannte sie auch Schleichwege und verborgene Quellen. Dann würde sie im kühlen Schatten rasten, erschöpft aber ihres Weges gewiss.

Wie es auch sein mochte, ich kehrte um.

Lange Schatten

Veröffentlicht: Dezember 20, 2013 von weizzenbrot in Eigene Texte

Das Ich räumt auf. Gut, man muss sich trennen – aber warum trauern? Es muss weg, sagt es sich und leert mit einer großen Geste den Tisch. Alles, was hier stand, hatte einmal seinen rechtmäßigen Platz. Es wurde geliebt und es liebte. Aber Liebe vergeht und Recht kann gebrochen werden. Warum etwas festhalten, das man besser werfen sollte?  – Euphorie des Schluss-Machens und des Anfangens, Euphorie des Sich-Behauptens –

Doch aus der Masse des Verworfenen meldet sich eine mahnende Stimme: „Gut – aber manches muss gesagt, getan oder gedacht werden. Sonst wachsen in der Dunkelheit Kreaturen, die eines Tages furchtbare Rache nehmen.“

Dem Ich kommen diese Worte seltsam vor. Da möchte sich wohl etwas nicht einfach so verabschieden lassen. Und mit bedeutungslosem Raunen versucht es sich zu retten. Wörter, die eine große Weisheit vortäuschen. Schaut man jedoch genauer hin, so bleibt nichts. Unkenrufe aus dem Sumpfland – eine Kröte, deren Weisheiten stinken und die das Neue nicht wahrhaben möchte. Also weg damit!

Das Ich wiederholt die Geste des großen Abräumens. Es ist eine königliche Geste, niemand ist ihr gewachsen. Im Gegenteil, sie scheint einen Thron zu begründen, auf dem das Ich gerne Platz nimmt. Ein Thron, der in den Himmel ragt, der nur die Sonne über sich hat.

Doch gerade ein Thron dieser Art wirft Schatten. Und der Schatten lockt Kreaturen an, die nur in seiner Dunkelheit bestehen können. Hässliche, vernarbte Gesichter, die Tags über ihre Messer wetzen, um dem Ich des Nachts das Fleisch vom Körper zu schneiden. Scheue Kreaturen, die zuerst die Haut von den Fingern nagen, um keine Gegenwehr erdulden zu müssen. Faulige Münder, die die langsame Arbeit des Messers nicht abwarten können und daher gierig in das noch blutende Fleisch beißen.

Die mahnende Stimme hatte Recht behalten. Doch genauso das Ich – denn die Stimme sprach mit boshafter Absicht. Sie wollte missverstanden werden. Sie sagte das offensichtlich Wahre aber kleidete es in das Gewand einer Lüge. Die Wahrheit selbst erschien nur als eine weitere List der alten Ordnung, als ein letztes Aufbäumen, dem man mit der großen Geste des Abräumens begegnen muss. Die Stimme äußerte das Wahre und brachte es so zum Verschwinden. Eine letzte Rache.

Klang

Veröffentlicht: Mai 11, 2013 von kynischetonne in Eigene Texte, Literatur
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Weit entfernte Quellen, die mal nah erschienen,
sprudeln unablässig und erfüllen den Wald mit ihrem Klang.

Irgendwo tanzende Wellen, die über den Ozean rollen, den Horizont entlang.

Nirgendwo ein Wort, nichts was ausgesprochen zu werden braucht
oder gehört werden muß.

Es ist alles gesagt und die Zigarette geraucht
während der Nacht und ihrem Kuss.

Niemals ein Zurück

Veröffentlicht: Mai 9, 2013 von kynischetonne in Eigene Texte, Literatur
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Rennend durch ein Erdbeerfeld, verfolgt von meiner Angst,
hatte ich bald eine Landstraße erreicht.
Mitten auf der Straße saß eine große Krähe, die gerade an einem Kadaver riß.
Ich fragte sie nach dem Weg nach Nirgendwo.
Die Krähe schaute auf und begann krächzend zu lachen.
Nach einer Weile sprach sie schließlich:
„Es gibt kein Zurück!
Es gibt niemals ein Zurück!
Weißt du das denn nicht?“
Und sie wandte sich sichtlich amüsiert
wieder ihrer Beute zu.

Eine kleine Geschichte über Hände

Veröffentlicht: Februar 26, 2013 von kynischetonne in Eigene Texte, Literatur
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Wir haben doch alle Hände, oder?

Na klar!

Dazu eine kleine Geschichte.

Vor langer Zeit benutzten wir unsere Hände fast nur dazu, uns an irgendwelchen Stellen am Körper zur eigenen Erleichterung zu kratzen. Dann, etwas später, fassten wir den Entschluss uns mit unseren Händen einen Turm bis zu Gott zu bauen.

Wisst ihr was weiter geschah?

Gott sah das (man konnte den Lärm auch kaum überhören) und er war überhaupt nicht damit einverstanden, da er uns ja nicht nur Hände gegeben hatte, sondern auch Füße und den ganzen anderen Rest bis hin zum Kopf. Deswegen schnippte er den riesigen Turm, der schon fast bis zum Himmel reichte, einfach um. Bummwiedumm! Nachdem das ganze Bauwerk krachend und tosend zur Erde gestürzt war, sprach Gott nach einer kleinen Weile zu den verdutzten Überlebenden:

„Oh mir, oh mir! Ihr Deppen!

Ich habe euch doch nicht Hände geschenkt, dass ihr mich dann damit und mit eurem hirnrissigen Turm hier in meinem Himmel begrapschen könnt. Ich hab euch Hände geschenkt, damit auch ihr euch gegenseitig und allen anderen Lebewesen die Hände schenkt!“

Und mit einem furchterregenden Donnergrollen verschwand Gott.

Herr Echt hat Recht

Veröffentlicht: Februar 23, 2013 von kynischetonne in Eigene Texte, Literatur
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„Du sagst mir die Welt ist schlecht,

und ich sage dir, du hast Recht

im Unrecht. Mehr schlecht als recht, aber…

was wollte ich jetzt sagen?

Ach ja!

Unrecht echt recht schlecht!

Unrecht echt schlecht recht!

Recht echt schlecht Unrecht?

Oder recht Unrecht echt schlecht?

Ja! Echt schlecht Unrecht.“

Als er diese Worte gesprochen hatte, ließ er mehr schlecht als recht, echt, das Schlecht aus der Welt ab.

Die Welt sank in sich zusammen, bis sie schließlich verschrumpelt vor seinen Füßen auf dem Boden lag.

Er faltete die Welt ordentlich zusammen und legte sie in seinen Koffer.

Dann stand Herr Echt auf und ging davon.

Herrschaft der Stille

Veröffentlicht: Februar 19, 2013 von kynischetonne in Eigene Texte, Literatur
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Schweigen am anderen Ende der Leitung.

Kein Atmen ist zu hören, nur Stille.

Wir schweigen uns gegenseitig an.

Auch ich habe aufgehört zu atmen,

um die Stille völlig herrschen zu lassen.