Archiv für die Kategorie ‘Randnotizen’

Überbau eines Rauchers

Der überzeugte Nichtraucher kann seinen Gegenpart nicht leiden, weil dieser für einen kurzen Genuss Gesundheit und Lebenszeit opfert. Mithin ein widersinniger Hedonismus – einer, der seine Ratio für ein widerliches, unbestimmtes und kurzweiliges „Anderes“ opfert. Einer der potentiell maßlos ist, dem man in seinen Grenzziehungen einfach nicht vertrauen kann.

Für den Raucher ist es mal ein geselliges Moment, mal ein Moment der absoluten Einsamkeit mit einer Prise Selbstgefälligkeit darin – oft genug aber eine hässliche Zeiteinheit der banalen Suchtbefriedigung.

Staatsexamen

Intuitiv könnte man meinen, es ginge darum, einen langen Erkenntnisweg abzuschließen. So als würde man sich diesen Weg noch einmal amtlich bescheinigen lassen. Als würde die Gesellschaft nach der Prüfung diesen Weg anerkennen, gebührend würdigen, zertifizieren. Der letzte glorreiche Schritt also.

Doch eigentlich ist es ein Verwaltungsakt, besser gesagt: ein Selbstverwaltungsakt. Zunächst einmal hat es nichts mit dem bisherigen Weg zu tun, außer das dieser die formale Berechtigung darstellt, die Prüfung antreten zu dürfen.

Der Stoff will in der Breite bewältigt werden, nicht in der Tiefe. Hinzu kommt ein Jargon, den es zu beherrschen gillt. Formalitäten und Inhalte erfordern keine besondere Intelligenz, keine Genialität, noch nicht mal ein gesteigertes Interesse. Es geht einzig um die richtige Form der Selbstverwaltung. Das meint die einfachste Frage nach dem „Was“ und „Wann“ und „Wie lang“. Letztlich spielt es auch keine Rolle mehr, ob man sich mit Mathematik, Germanistik, Philosophie oder Biologie beschäftigt. Gefragt ist der Nussknacker, der die richtige Konsistenz herstellt, das meint: klein, umrissen, leicht aufnehmbar.

Nicht zu vergessen der psychologische Selbstverwaltungsakt: Das Staatsexamen kommt wie ein gewaltig aufgeblähtes Über-Ich daher, das unmögliche Forderungen stellt. Das vor allem jeden Bereich des Lebens diesen Forderungen untertan machen möchte. Vergleichbar mit einer Pflanze, die im Bereich der Universität ihre Wurzeln hat, aber krankhaft darüber hinaus wuchert, jeden andern Bereich mit ihren Flechten beklebt, ausfüllt. Eigentlich mehr ein wuchernder Krebs, den man entweder kontrollieren kann – oder eben nicht.

Der abwesende Dritte

In der Liebe gibt es ihn immer: Einer – manchmal sehr bestimmt, manchmal unbestimmt – der in seiner Abwesenheit immer anwesend ist. Im Idealfall, wenn der Liebe keine äußerlichen Widerstände im Weg stehen, ist es der Tod. Oder aber die Gewissheit, dass man den Anderen als Wesen nie ganz wird fassen können, dass man also lediglich zu zweit ein kleines bisschen weniger alleine ist.

Was in dieser Form eine schmerzliche Gewissheit sein mag, könnte aber auch als Grundmerkmal der romantischen Liebe gedeutet werden. Also als etwas, dem es zu begegnen gilt, das man aushalten muss, bei dem kein Wegschauen hilft. Die Umkehrung ganz abgeschlossen hätte man in der Liebesbeziehung zu einem vergebenen Anderen. Der betrogene Dritte würde dann die Stelle des abwesenden – und damit anwesenden – Dritten einnehmen, die Stelle des Unbestimmten, das wie ein Fatum hereinbrechen kann, das mit seiner Gewalt alles in den Abgrund reißen würde. Eine Liebe, die das aushalten könnte, würde über den Satz „bis in alle Ewigkeit“ nur herzhaft lachen – und dennoch ganz bei sich selbst sein.